Mit dem Werkzyklus „Biographies“ schlägt Ralf Altrieth ein neues Kapitel in seiner reichhaltigen Künstlerbiographie auf, die in bisher an so unterschiedliche Orte wie Berlin, Freiburg i. Br., Erlangen, Paris, Venedig und die Normandie geführt hat. Seit 2014 wohnt Altrieth im südfranzösischen Departement Gard. Wer Altrieth bisher als Saxophon-Expressionisten des Trios Das Kaff oder als Farben und Formen wild verwirbelnden Maler kannte, wird vom eher ruhigen und manchmal gar entrückten Grundgestus dieser über weite Strecken melancholisch gefärbten Klaviermusik überrascht sein. Entstanden ist dieser Werkzyklus im Laufe von anderthalb Jahren. Er könne nicht auf Knopfdruck komponieren, hält Altrieth fest: «Ich fühle mich beim Komponieren wie ein Medium oder wie ein Schatzsucher. Es ist wichtig, dass man loslassen kann und nicht an Konstruktionen festhält.»
Für Altrieth war stets klar, dass seine Stücke von einem professionellen Pianisten eingespielt werden sollen, der nicht nur über das Feingefühl eines sensiblen Interpreten, sondern auch über die Neugierde und Abenteuerlust eines Improvisatoren verfügt. Der mit Altrieth befreundete und ganz in dessen Nähe lebende Pianist René Bottlang hat sich nicht zuletzt deswegen in diese Musik verliebt, weil sie Freiräume bewusst offen lässt und trotzdem eine klare Handschrift trägt (Bottlang hat bisher u.a. mit Steve Lacy, Barre Phillips, Mal Waldron, Franz Koglmann, Phil Minton, François Jeanneau und André Jaume kooperiert). Nach der intensiven Auseinandersetzung mit Nuancen und Spannungsbögen schlug Bottlang schliesslich die Einspielung eines Albums vor. Dafür ist er alleine in das renommierte Studio La Buissonne gefahren, den Komponisten wollte er bewusst nicht dabei haben.
«Als ich die Aufnahmen zum ersten Mal gehört habe, war ich sehr, sehr glücklich», erinnert sich Altrieth. Und so darf das Album als Resultat einer kongenial-symbiotischen Zusammenarbeit bezeichnet werden, die auf einer Freundschaft basiert, die von gegenseitigem Respekt und Innigkeit geprägt wird. Oftmals merkt man gar nicht, wo die Komposition endet und die Improvisation beginnt. Altrieth erklärt: «Die Verschmelzung dieser Elemente ist eine Gabe von René.» Durch diese scheinbar mühelose Verschmelzung bekommt diese Seelenmusik einen natürlichen und geschmeidigen flow, von dem man sich gerne in klangmalerische und magische Regionen hinforttragen lässt, die über äusserst anmutige Konturen verfügen.